Lady Gaga – Alejandro
Verfasst am Mittwoch, 9. Jun 2010
Man nehme Schwulenszene, BDSM, Militär, Science Fiction, christiliche Symbolik und High-Heels: Fertig ist das neue Gaga-Video. Nicht so bunt wie “Telephone”, nicht so imposant wie “Bad Romance” und nicht so fetzig wie “Poker Face”. Es ist ein Filmchen, mit dem man erst einmal warm werden muss. Wenn man denn nach dem ersten Schauen überhaupt will. Und viele werden sicherlich nicht wollen, vor allem, da sie zufällig in den USA leben und die Homoanspielungen ihnen viel zu viel werden dürften. Widmen wir uns mal dem, wie Gaga es nennen würde, Pop-Event.
Der Kontrast zwischen dem Lied und den Bildern ist offensichtlich gewollt, aber ist er an dieser Stelle wirklich sinnvoll? Ist es rein von der kommerziellen Warte aus besonders schlau, einen potentiellen Sommerhit mit schwulen Naziboys in kalten, dunklen Settings zu unterlegen? Und ja, Gaga ist kommerziell, sonst würde sie wahrscheinlich nicht Tage vor dem Video- und Singlerelease bereits Merchandise Bundles für 50 Dollar das Stück verscherbeln. Was andererseits auch verkaufstechnisch Sinn macht. Ich will nicht wissen, wieviele little monsters (das Gefolge) jetzt in dem T-Shirt mit dem Ring am Finger vor der Kerze aus dem überteuerten Paket mit den Remixen als Hintergrundbeschallung daheim kauern und versuchen die Inhalte des Videos von mother monster (die Künstlerin) miteinander in Verbindung zu bringen.
Was das nun vorliegende akustisch-visuelle Gesamtwerk angeht: Es ist ein Zwitter. Der Song plätschert so vor sich hin. Das Video ist teilweise wirklich gut. Einige Aufnahmen sind wirklich interessant, aber sie passen absolut nicht zum Lied. Man kann in die Bilder wirklich vieles reininterpretieren und viele werden darüber froh sein, dass das mal jemand vor so breitem Publikum macht, aber sie scheinen (um das Wort ein viertes Mal in einem Absatz zu verwenden) wirklich ohne jeglichen Zusammenhang zum aceofbasigen Gothicpop von Lady Gaga zu stehen. Es ist ein bisschen so, als würde man einen Audiomittschnitt der Teletubbies mit Szenen aus Triumph des Willens bebildern.
Was nun die Bilder angeht: Gestern, am 8.6.10 um 11:56 PM hat ein User auf ladygaga.com u.a. folgendes geschrieben:
[...] The lyrics “Hot like Mexico, rejoice!” juxtaposed with cold, snowy atmosphere, along with German-fascist imagery is brilliant, and it made sense for the song. Anyone who disagrees is a complete idiot. And anyone who is gay, like myself, understands your symbolism about religious hypocrisy and religious/governmental oppression on the masses. Only hyper-religious people would be offended by this video without looking further into it’s meaning. [...]
Zum ersten hier zitierten Satz: Aha, und wo ist der Sinn bitte? Glatte Behauptung ohne Belege. Sowat hab ick ja jerne! Und der zweite Satz ist die typische Reaktion eines Fanboys, wird aber normalerweise auch von Extremisten jeglicher Art, Weise und Richtung zur Untermauerung der fehlenden Argumentation benutzt. Der dritte Satz: Abgesehen von einer wiederholten (abstrusen) Behauptung, muss ich ganz ehrlich sagen, dass “symbolism about [...] religious/governmental oppression on the masses” für mich nicht darin gipfelt, dass ich eine Horde Halbnackter in hässlicher Unterwäsche beim Totalitärdance zuschaue. Und nur, weil da jemand scheinbar wahllos Kreuze an den verschiedenen Locations verteilt hat, ist es noch lange kein “symbolism about religious hypocrisy”, es sei denn man erkennt Kritik ausschließlich im visuellen Symbolismus oder in diesem Fall eher im fröhlichen Symboleaneinanderreihen.
Ich werde als angenehmes Kontrastprogramm zu anderen Blogs jegliche tatsächlich idiotische Madonna-Vergleiche außen vor lassen. Sie ist nicht die erste und nicht die letzte, die schwarzweiße Videos gedreht, seltsame BHs getragen und in ihren Videos mit Sexualität gespielt hat. Abgesehen davon durchzieht das hier betrachtete Video ein irgendwie typisches, völlig eingenständiges Gaga-Feeling, ob man da nun madonnahaftes sieht oder nicht.
Als Fazit möchte ich nur sagen, dass ich enttäuscht bin. Nicht vom Video per se, sondern von der Umsetzung dieser ganzen Releasegeschichte. Das Lied ist sicherlich nicht die intelligenteste Singlewahl, auch wenn es ein bisschen Sommerhitpotential hat, doch dieses wird durch das Video in unendliche symbolische Gefilde geführt, die vielleicht Sinn, jedoch keinen Zusammenhang ergeben, zumindest nicht in künstlerischer Hinsicht. Und das kann bei der offensichtlich gewollten Aussage nicht Absicht gewesen sein. Zudem ist es nicht mutig provokante Bilder zu zeigen, es ist mutig etwas zu sagen. Hier wird dagegen a bissel BANG BANG BANG gezeigt, das einzig Gesagte (und Gesungene) bleibt LA LA LA. Die Quintessenz könnte auch lauten: Homos sind alles High-Heels tragende und durchtrainierte Nazichristen und tanzen und pöbeln gern halbnackt mit Lady Gaga. Man sieht: Aussage, Wirkung, Video und Lied passen und wirken so gut zusammen wie eine Sonntagspredigt über sexuelle Vorlieben geschlechtsreifer Säbelzahnhörnchen.
P.S.: Und nein, ich mag Lady Gaga tatsächlich, aber ich bin gern kritisch und skeptisch. Vor allem Leuten gegenüber, die sich selbst bei jeder Gelegenheit als Künstler bezeichnen. Ach so: Falls euch die Klamotten aus dem Video gefallen und ihr sie gern auch mal in euren Kleiderschrank hängen würdet, erfahrt ihr hier, von wem sie sind.
- Tags: Alejandro, Lady Gaga, Madonna
- 2 Kommentare
Karina
14. Juni 2010 um 14:44
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1
du hast recht,wirklich gut gesagt…volle zustimmung in allen punkten…
Alex Storm
15. Juni 2010 um 11:36
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2
danke! :)