Aua: Wie geht man mit dem Tod um?
Verfasst am Freitag, 13. Aug 2010
Heute möchte ich mich aus aktuellem Anlass einem ernsten Thema widmen: Wie geht man damit um, wenn jemand stirbt? Egal, wie sehr man sich manchmal vormacht, dass alles schön ist und bleibt, man wird trotzdem des Öfteren im Leben mit Dingen konfrontiert, die man nicht wissen, hören oder sehen will. Es wird auch nicht aufhören. Das ist ein Problem, das alle Menschen gemeinsam haben, unabhängig davon, wo sie herkommen und was sie sonst so für Interessen haben. Auch du wirst eines Tages jemanden verlieren, der dir wahnsinnig wichtig ist. Aus eigener Erfahrung weiß ich leider, dass es sinnvoller ist, sich etwas früher damit auseinanderzusetzen, bevor man unerwartet von einem emotionalen Truck überrollt wird und dann einfach liegen bleibt.
Wenn man als Betroffener dasteht, zählt erstmal nur eins: Der Schmerz. Alles ist plötzlich komplett im Arsch. Jeder Gedanke, jede Bewegung, jeder Atemzug tut weh. Wegrennen hilft nichts, das Aua kommt an jeden Ort der Welt mit. Und wer nicht dran kaputtgehen will, sollte sich ihm auch stellen, denn das Loch, das in unserer Seelenlandschaft nach einem derartigen Verlust entsteht, wird nicht verschwinden.
Ich kann natürlich nicht sagen, was für wen am Besten ist, aber ich weiß, dass es furchtbar verkehrt ist, dieses Loch isolieren, einen hübschen Maschendrahtzaun drumherum aufstellen und die Gegend meiden zu wollen. Jeder weiß, dass Gefühle ein Eigenleben führen und auf uns keine Rücksicht nehmen – nie. Also muss man sich mit ihnen arrangieren und versuchen, zu verstehen, warum sie da sind und was sie so machen. Man kann darüber reden, es aufschreiben oder aufmalen, ganz egal. Das Einzige, was nicht passieren sollte, ist, dass man versucht sie einzusperren, da man ansonsten jeden Morgen für den Rest seines Lebens von dem Gefühl eines nahenden Ausbruchs begrüßt wird.
Keine Ahnung, wem da was am Besten hilft, ob Gespräche, Ausdruckstanz oder Schreitherapie. Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich weiß nur, dass es mir immer geholfen hat, mir selbst zu sagen: “Würde der Verstorbene wollen, dass ich hier so abkrepel? Nein, der würde mir eine Maulschelle dafür geben, also lass ich es.” Es klingt vielleicht blöd, aber es hilft. Es macht das Unerträgliche erträglicher, wenn man das Gefühl hat, dass man nicht aufgeben darf, da man andernfalls von den Wartenden im Himmel oder halt eben da, wo sie warten Dresche bekommt.
Manchmal ist man auch wütend, weil der andere einen einfach allein gelassen und sich so verpirselt hat. Wobei ich selbst das nie so empfunden habe, aber ich kenne das von anderen. Hm, ich weiß nicht, ob das gut ist, dem Verstorbenen Vorwürfe zu machen, aber wenn es in einem Moment hilft, ist alles Weitere unwichtig. Wenn es einem scheiße geht, darf man auch egoistisch sein. Vor allen Dingen, wenn einem die Lebenden nicht wirklich wesentlich helfen können.
Es ist wohl auch sehr brisant, wenn man als Außenstehender der Trauer einer anderen Person zusehen muss. Viele würden sagen, dass diese Lage sehr viel Empathie erfordert oder sowas. Das ist Blödsinn. Zuerst sollte man wissen, dass man einem Trauerndem nicht helfen kann. Das geht einfach nicht, außer man ist Totenbeschwörer. Demzufolge sollte man diesen Wunsch ganz schnell begraben. Was man aber machen kann und sollte, ist ganz einfach: Dem anderen das Gefühl geben, dass er nicht allein ist und das man sich sorgt.
Also tut euch selbst einen Gefallen und fragt nicht solche Dinge wie ‘Wie gehts dir?’, ‘Wie fühlst du dich?’ oder ‘Wie empfindest du das?’. Es geht ihm oder ihr scheiße, er/sie fühlt sich scheiße und er/sie emfindet das auch scheiße. Das sollte jedem klar sein. Und zudem ist auch allen Beteiligten klar, dass keiner weiß, was er sagen soll, es hilft also niemandem, wenn man das durch Floskelbombardements zu überspielen versucht.
Das Beste ist wahrscheinlich, einfach hinzugehen, den Trauernden zu umarmen, seine Hand zu halten und in der Nähe zu bleiben, auch wenn er sich vielleicht gerade nicht nach Nähe sehnt oder allein sein will. Er kann ja auch allein sein, aber er sollte nicht das Gefühl haben, dass er es ist. Es ist doch im Grunde so, dass Leute einen meistens gerade dann am Nötigsten brauchen, wenn sie der Meinung sind, allein sein zu wollen oder zu müssen. Drängt euch nicht auf, das ist auch doof, aber macht dem Trauernden klar, dass wenn irgendetwas ist oder er irgendetwas braucht, dass ihr da seid. Und meint es bitte ernst. Das reicht schon.
Tatsache ist, zumindest aus meiner Erfahrung, dass das Loch immer da bleibt. Nichts und niemand wird es je füllen können, aber man kann sich damit anfreunden. Man kann daneben innerlich spazieren gehen und glücklich darüber sein, dass man jemanden hatte, der es geschafft hat, einem so wichtig zu werden, dass einem ab und an der Atem stockt, wenn man zurückdenkt. Der Schmerz wird nicht aufhören und er wird auch nicht kleiner, man muss eben lernen mit ihm zu leben. Es bleibt nicht viel übrig, zumal das Leben einfach ohne Rücksicht weitergeht. Was vielleicht auch besser so ist, sonst würde man eventuell nie aus der Trauer rauskommen. Ich habe das Aua nach einer Weile als einen Teil von mir akzeptiert. Wenn es schon da ist und ich es nicht ausquartieren kann, na ja, dann bekommt es halt einen Untermietervertrag. Dieses Mistvieh.
- Tags: Aua, betroffen, Schmerz, Tod
- 4 Kommentare
MindfuckUnlimited
13. August 2010 um 19:05
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1
Uh, geht unter die Haut.
Vergiss nicht, dass man als nahestehende Person extrem hilflos ist: man möchte gerne helfen, andererseits wird einem auch klar, dass man es nicht kann… Dämliche Misere, dies.
Bei solchen Anlässen lebe ich knallharte Kaltschnäuzigkeit aus: immer wird jemand sterben. Manchmal ist es jemand, den man sehr liebt. Dadurch werden wir uns erst richtig gewahr, wie sehr uns dieser Mensch eigentlich fehlt, was wir alles noch hätten sagen sollen, oder lieber nie gesagt hätten. Und genau das gibt uns die Kraft und den Willen, andere, nachfolgende wichtige Menschen, richtig zu behandeln. Manchmal Sachen unausgesprochen zu lassen, die verletzen können… Oder öfter zu sagen: “Du bist mir wichtig”.
Zeit kann man nicht rückgängig machen, Gesagtes nicht ausradieren. Aber man kann daraus lernen.
Und solange man selbst am leben ist, sollte man diese Gelegenheit auch wahrnehmen.
Just my 2 CT…
Alex Storm
13. August 2010 um 19:23
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2
du hast natürlich recht. das ist nun einmal die art von gesamtsituation, mit der man absolut, komplett und in allen punkten unzufrieden ist und das gegenteil nicht möglich ist/sein kann. für alle beteiligten. das haben wir ja schon durch.
ich wollte so im allgemeinen an mehr verständnis für sich und andere und mehr wortlose kommunikation anhand körperlicher gesten appelieren. (wer das in irgendeiner art und weise falschversteht, hat sicherlich bereits einen vip-platz in den brennenden tiefen!) ;)
audiske
14. August 2010 um 09:54
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3
Sehr bewegend, Alex. :nothing_to_say:
Alex Storm
16. August 2010 um 23:13
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4
Danke. :/